Moderne Wegelagerei…
Nachdem ich mehr als 20 Jahre mit PKW und Wohnwagen in Europa unterwegs gewesen bin, habe ich vor einem Jahr ein Wohnmobil gekauft. Mit 2 Erwachsenen, den 3 Kindern und dem Hund auf Achse, da braucht man ordentlich Platz und Nutzlast, also schwankte ich zwischen dem preiswerteren Fahrzeug mit max. zGG von 3,5 t und dem teuren Fahrzeug mit Auflastungsmöglichkeit auf 4,2 t.
Es gibt einige Wohnmobilhersteller, die mit 6 Schlaf- und Sitzplätzen inklusive einem zGG von 3,5 t werben, allerdings wollte ich das Risiko des Überladens und der Polizeikontrollen ausschließen. Hinzu kommt noch, dass man überladen, jenseits der 3,5 t Grenze, ohne gültigen Führerschein unterwegs ist (in Luxemburg – Klasse B bis zGG von 3,5 t) und die Versicherung im Ernstfall nicht haftet.
Dies alles waren vernünftige Argumente, die mich schlussendlich dazu bewegten, die Lastwagenführerscheinprüfung abzulegen und mehr Geld in Sicherheit und Nutzlast zu investieren. Mein Fahrzeug ist 7,30 m lang, am Alkoven 3,20 m hoch, 2,30 m breit und hat ein zGG von 4,2 t auf 2 Achsen verteilt (ohne Zwillingsbereifung).
Ein Jahr, 14.000 gefahrene Kilometer und einige Mautstellen später möchte ich an dieser Stelle meinem Ärger und Unmut Luft machen.
Ich bin kein Autobahnfetischist, aber die schnellste Verbindung zwischen 2 Punkten ist nun mal die Autobahn. Frankreichs Autobahnen sind verdammt teuer, das wissen viele und nicht umsonst sieht man auf Frankreichs gut ausgebauten Landstraßen unzählige Wohnmobile. Gesetzlich gehört mein Wohnmobil in Klasse 3 (+/- 0,14 €/km) zusammen mit zweiachsigen Lastwagen bis 25 t und trotzdem stufen viele Mautangestellte in Frankreich mein Fahrzeug in Klasse 2 ein, weil man ihm die 4,2 t gar nicht ansieht. Um so besser!
Für Wohnmobile > 3,5 t haben Italien und Portugal akzeptable Preise (+/- 0,06 €/km), Spanien ist noch günstiger. In Deutschland besteht bis 12 t keine Mautpflicht und LKW > 12 t zahlen im Durchschnitt 0,11 €/km – eine sehr vernünftige Gesetzgebung – zumindest für Wohnmobilfahrer.
In der Schweiz kostet die Jahresvignette für Wohnmobile > 3,5 t – 650 CHF (406 €)! In der Schweiz ist diese Vignette für das gesamte Schweizer Straßennetz Pflicht. Zum Trost gibt es für kurze Zeiträume eine Lösung – für 1–30 aufeinanderfolgende Tage – pro Tag 3,25 CHF, mindestens aber 25 CHF (16 €). Für Touristen eine akzeptable Lösung.
Vor kurzem rechnete ich für Österreich (www.go-maut.at) die anfallenden Mautgebühren aus, für die Strecke Staatsgrenze Suben – kommend aus Passau/Deutschland über Graz bis Staatsgrenze Spielfeld – in Richtung Maribor/Slowenien. Für die einmalige Strecke von 306 km soll ich 70 € zahlen, das macht +/- 0,23 €/km! Hinzu kommt die Leihgebühr von 5 € für die GO-Box welche mit einem Minimalguthaben von 75 € aufgeladen werden muss. Ein eventuelles Restguthaben verfällt nach 2 Jahren. Die GO-Box ist Pflicht für alle Autobahnen, Tunnels und Schnellstraßen.
Die Fahrer eines überladenen Wohnmobils < 3,5 t zGG, von denen viele unterwegs sind, dürfen zum Preis von 72,60 € die Jahresvignette kaufen. Ein Freund von mir fährt ein Wohnmobil auf Mercedes Sprinter Basis (zGG 3,8 t) und hat dieses ablasten lassen auf 3,5 t – obwohl er den Führerschein Klasse C besitzt (Lastwagen > 12 t), er riskiert lediglich eine Geldbuße wegen überladenem Wohnmobil – kann allerdings an jeder Mautstelle durch Fahrzeugbrief bezeugen, dass sein Wohnmobil < 3,5 t wiegt. Er zahlt für die gleiche Strecke eine 10 Tages Vignette zum Preis von 7,60 € und darf noch einen Wohnwagen gratis mitführen!?
Als ehrlicher Mensch und auf Sicherheit bedacht, zahle ich +/- einen Mehrpreis von 1000 %!! Zur gleichen Zeit, darf ich mit einem Wohnwagen am Haken (zGGespanngewicht – 4,4 t) – die genannte Strecke zum Preis von 7,60 € zurücklegen.
Eine mehr als fragwürdige Politik, die sich wohl sehr schwer mit rationellen Argumenten belegen lässt!? Eher ein Fall von Willkür, Abzocke oder schlicht und einfach moderner Wegelagerei.
Eigentlich, bin ich ja bereit einen Mehrpreis zu zahlen für die paar hundert Kilos Mehrgewicht, allerdings sollte sich der zu zahlende Mehrpreis in einem nachvollziehbaren Rahmen befinden. 1000 % Mehrpreis kommt für mich nicht in Frage, ich bin entsetzt, wütend und fühle mich betrogen und ausgenommen. Weder bin ich Geschäftsmann noch betreibe ich eine Transportfirma, die anfallenden Mautkosten kann ich weder anderwärtig eintreiben noch absetzen!
Nun stell ich mir die Frage, ob ich damals die richtige Entscheidung getroffen habe?! So wie die internationale Gesetzeslage aussieht, in Bezug auf Mautgebühren und Fahrzeugklassen, lautet meine Antwort – NEIN!
Den Führerschein der Klasse C (LKW) habe ich nun!Die Polizei, der ADAC und die Versicherungen fordern Sicherheit an erster Stelle und das leuchtet auch jedem vernünftigen Menschen ein.Soll ich etwa mit meinem Fahrzeug von Ampel zu Ampel pendeln und die Landluft verpesten, um der Go-Maut zu entkommen oder Österreich ganz meiden um die Strecke über die Schweiz via Italien zu bevorzugen um von dort aus nach Kroatien zu gelangen. Dies bedeutet mehr Kilometer aber bessere Mautbedingungen – auch keine Lösung in Bezug auf den Umweltschutz!?Vielleicht lasse ich mein Fahrzeug demnächst auf 3,5 t ablasten und fahre auf „gut Glück“. Immerhin bin ich in 25 Jahren, noch nie kontrolliert worden und wenn mich dann doch mal ein Polizist anhält, dann wird das Bußgeld lächerlich niedrig ausfallen, gegenüber einer überhöhten und wiederholt entrichteten österreichischen Wucher Mautgebühr.
Weil die Gesetzeslage in Europa steinzeitlich ist im Vergleich zu den realen Bedürfnissen, müssen die Wohnmobilhersteller auch weiterhin Fahrzeuge unterhalb der 3,5 t Grenze bauen, auch für Familien mit mehreren Kindern (ohne LKW-führerschein).Dass diese Fahrzeuge in aller Regel überladen unterwegs sind, ist ein allseits bekanntes Problem, stört unsere Politiker in Brüssel allerdings eher wenig! Seit Jahren ist im Gespräch, die Führerscheinklasse B auf 4,2 t – 4,5 t anzuheben um den heutigen Anforderungen an Sicherheit und Materialbeschaffenheit gerecht zu werden. Ein zu Freizeitzwecken bewegtes Wohnmobil ist kein Brummi und hat nichts in deren Mautklasse verloren.
Es geht mir nicht um die 70 €, als vielmehr ums Prinzip. Ich wehre mich ganz entschlossen gegen diese Art der Wegelagerei und werde nunmehr eine für mich gangbare Lösung suchen. Die Sicherheit, das Gesetz und die Umwelt werden bei der Lösungsfindung, wohl kaum mehr die gewichtigsten Argumente liefern. Schade drum. Es lebe Europa!